Organhaftung nach Aktienrecht
Bestimmte Funktionsträger einer Aktiengesellschaft werden als Organe bezeichnet, weil sie für das Funktionieren der juristischen Person ebenso lebenswichtig sind wie menschliche Organe für eine natürliche Person. Bei Aktiengesellschaften gibt es 3 Organe (Generalversammlung, Verwaltungsrat, Revisionsstelle), wobei im Rahmen dieser Website und Ausführungen nur die Haftung des Exekutivorgans (Verwaltungsrat) behandelt wird.
Haftung des Verwaltungsrates und der mit der Geschäftsführung befassten Personen
Die persönliche Haftung des VR und der Geschäftsleitung einer Aktiengesellschaft ergibt sich aus Art. 754 OR, der in der Praxis wichtigsten Anspruchsgrundlage. Sie betrifft formelle, materielle und faktische Organe:
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Formelle Organe sind Personen, die formell bestimmt oder gewählt und im Handelsregister eingetragen sind, also z. B. die Verwaltungsratsmitglieder einer AG.
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Materielle Organe sind Personen, die nicht dem Verwaltungsrat angehören und denen durch die Statuten oder das Organisationsreglement Geschäftsführungsaufgaben gültig delegiert wurden (Mitglieder der Geschäftsführung/-leitung/Direktion).
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Faktische (de-facto- oder materielle-) Organe sind Personen, die tatsächlich Organfunktionen erfüllen ohne formell dazu bestellt zu sein. Die Abgrenzung zu Arbeitnehmern oder zu Beauftragten, die nicht nach Aktienrecht haften, ist dabei in der Praxis nicht immer einfach. Nach der Rechtsprechung sind faktische Organe "Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen" (BGE 128 III 92). Dazu können im Einzelfall folgende Personen gehören:
- Mitarbeiter der Gesellschaft (leitende MA wie Betriebsleiter oder Prokurist; Stellvertreter von
formellen oder faktischen Organen; Compliance-, Datenschutz-, Geldwäscherei-, Arbeits-
schutz-, Umweltschutz- oder Sicherheitsbeauftragte)
- ein Hauptaktionär, der nicht im VR vertreten ist
- Führungskräfte einer Holding- oder Muttergesellschaft für Entscheidungen/Handlungen, die
eine Tochtergesellschaft betreffen
- Mitglieder eines Beirates
- externe Berater oder Dienstleister (Anwälte, Unternehmensberater, Treuhänder, Banker), aber
nur, wenn sie die Geschäftsführung mitbesorgen, Weisungen erteilen oder an Entscheidun-
gen aktiv mitwirken, nicht bereits, weil sie die Organe beraten und Entscheide vorbereiten.
Haftung der Gründer einer AG
Die Gründerhaftung ergibt sich aus Art. 753 OR.
Prospekthaftung
Alle Personen, die bei der Erstellung eines Emissionsprospektes mitwirken, haften gemäss Art. 752 OR.
Andere Anspruchsgrundlagen
Neben der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit gibt es für den VR und die GL einer AG auch Weitere Haftungen.
Andere Anspruchsgrundlagen
Neben der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit gibt es für den VR und die GL einer AG auch Weitere Haftungen.
Wie sieht die Haftung bei anderen juristischen Personen aus?
Die Gesetzesvorschriften über GmbH, Banken und Genossenschaften verweisen bei der Haftung ihrer Exekutivorgane auf die Vorschriften des Aktienrechts.
Für Vereine und Stiftungen gelten die aktienrechtlichen Haftungsvorschriften nicht ! Dort sind andere Anspruchsgrundlagen anwendbar (siehe Weitere Haftungen).
Bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Gemeinden, Zweckverbände usw.) muss das anwendbare Haftungsgesetz (des Kantons oder Bundes) und bei Anstalten das zuständige Spezialgesetz beachtet werden.